Forschungsethische Begutachtungen an der FH Campus Wien: Perspektiven und Herausforderungen in interdisziplinären Kontexten (Andreas Klein, Peter Putz)

In diesem Panel soll die Ethikkommission der FH Campus Wien vorgestellt sowie deren interdisziplinäre Ausrichtung und Tätigkeitsfeld erörtert werden. Dabei geht es zunächst um den Entstehungsprozess und den Anlass zur Konstitution der Ethikkommission, sodann um die Herausforderungen aufgrund der Interdisziplinarität der Kommissionszusammensetzung und der zu bearbeitenden Anträge, weiterhin um spezifische Erfahrungen und Problemlagen aus dem Sitzungsalltag und den Begutachtungen, die Darstellung des Ablaufs von Anträgen und ihre Kommissionsbegutachtung. Häufig wiederkehrende Auflagen bei den Begutachtungen betreffen neben datenschutz- und forschungsrechtlichen Aspekten, z.B. Mängel in der Darstellung der Zielgruppe, der studienbezogenen Maßnahmen und der methodischen Planung oder fehlende Elemente und nicht zielgruppengerechte Sprache in den Teilnahmeinformationen. Schließlich werden besondere ethische Aspekte im Kontext von Antragstellungen wie etwa Abwägungen von Nutzen und Risiken, den Umgang mit vulnerablen Gruppen bzw. Personen oder Vorkehrungen für das eventuelle Auftreten unerwünschter oder schwieriger Situationen thematisiert und diskutiert.


Ergänzendene Reflexionen aus der Arbeit in Ethikkommissionenan der FH Campus Wien: Perspektiven und Herausforderungen in interdisziplinären Kontexten (Maria Kletecka-Pulker, Stefan Dinges)


Personalmangel als offene Wunde in einem vulnerablen System? Erfahrungen aus der COVID-19 Pandemie (Sabine Pleschberger)

Die COVID-19 Pandemie hat in vielerlei Hinsicht die Vulnerabilität unseres Gesundheitssystems aufgezeigt, das bislang gerade im Vergleich zu anderen Ländern als solide galt. Neben unzureichender Infrastruktur zur Herstellung von Schutzmaterialien als eine Folge der zunehmenden globalisierten pharmazeutischen Industrie, traten die Health Professionals als „Problemfaktor“ immer mehr in den Vordergrund. Health Professionals stellen das Rückgrat eines Gesundheitssystems dar, und mit Fortschreiten der Pandemie schienen die Brüche darin immer weniger übersehbar. Einem pandemiebedingt erhöhten Bedarf stand ein sich seit vielen Jahren aufschichtender Mangel in fast allen Gesundheitsberufen gegenüber. Im Vortrag wird, ausgehend von den Erfahrungen im Zuge der COVID-19 Pandemie, eine umfassende Problemdarstellung zur Situation der Gesundheitsberufe als Mangel in einem ansonsten scheinbar florierenden System erfolgen, um so eine Reflexion vor dem Hintergrund der Verletzbarkeit sowohl von Individuen als auch ganzer Systeme anzuregen. Die damit verbundenen ethischen Fragen bzw. und Herausforderungen sind wesentlicher Bestandteil der Betrachtung.


„Der französische Fall von ECMO und partieller und totaler Herzunterstützung: Ethische und rechtliche Überlegungen zu Vulnerabilität und Qualität der Pflege” (Laetitia Marcucci/ Renaud Bouvet)

Unser Vortrag stützt sich auf die Forschungsergebnisse des Projekts ELEGIE (Ethische und rechtliche Fragestellungen der Extra-Corporal Membrane Oxygenation (ECMO) und Herzunterstützung). Das Projekt wurde von der medizinischen Fakultät und dem Universitätskrankenhaus in Rennes (Frankreich) geleitet. Von Januar bis Juli 2023 wurden von einem multidisziplinären Forschungsteam (Ärzte, Juristen, Philosophen und Psychologen) 25 Interviews mit den Gesundheitsfachleuten geführt. Die Rolle der Krankenpfleger war für uns von besonderem Interesse im Hinblick auf die geforderte Qualität der Versorgung in einem Gesundheitssystem, das durch immer wiederkehrende Krisen belastet wird. Die hochtechnisierte Pflege erfolgt in einer Abfolge von standardisierten Handlungen in Situationen, in denen sich die Schwierigkeiten kumulieren: Lebensnotwendigkeit, vielfältige Dekompensationen, plötzliche Komplikationen, sofern vorhanden, ungeeignete Patientenverfügung, Zeitdruck zum Nachdenken und Antizipieren, Entscheidungen, die im Nachhinein neu bewertet werden. Dennoch kümmern sich die Pflegepersonen um die Einzigartigkeit jedes einzelnen Patienten. Inwiefern weisen diese Situationen auf die ethischen und organisatorischen Spannungen hin, die die Pflege in der täglichen Praxis durchziehen? Wie gelingt es den Pflegenden im Alltag, mit potenziell widersprüchlichen Anweisungen umzugehen?

Zu Beginn werden wir die Besonderheiten von ECMO-Situationen und Herzunterstützungen darstellen. Die Grenzen zwischen Leben und Tod können werden durch diese Umsetzung verwischt. Aufgrund des innovativen Charakters dieser Maschinen befindet sich das Wissen im Aufbau und die Praxis ist noch immer von einer „handwerklichen“ Dimension geprägt. Die Krankenpfleger sind ständig am Patientenbett. Sie haben eine gewisse Autonomie gegenüber den Chirurgen und sie sind in einer privilegierten Position als Gesprächspartner der Ärzte.

Allerdings sind die Pflegekräfte angesichts dieser Situationen extremer Vulnerabilität des Patienten in einem geschwächten Gesundheitssystem selbst vulnerabel. Daher werden wir in einem zweiten Schritt die mögliche Neuausrichtung der Handlungslogiken im Hinblick auf die vier Ebenen der care, die Tronto (1993) beschrieben hat, untersuchen. Erste Stufe, caring about. Um wen, was wird gepflegt? An wen richtet sich die Pflege und was ist ihr Ziel? Hier wird die Ambivalenz der Pflegetätigkeiten hervorgehoben, die das ethische Risiko birgt, den Patienten aus dem Blickfeld zu verlieren, obwohl sie Rechtssubjekte sind und Respekt und Achtung verdienen. „Gut machen wollen“ reicht nicht aus, um eine ethische Zielsetzung zu begründen, und kann diese sogar behindern. Zweite Stufe: taking care of. Wozu befähigt die Vulnerabilität die Pfleger und Pflegerinnen? Es geht darum, den Patienten in eine umfassendere Logik als das technische Handeln einzuordnen und sich außerhalb der Welt des Krankenhauses zu bewegen. Patientenverfügungen sind zwar von Interesse, um die Bedeutung der Willensäußerung des Patienten zu bekräftigen und einen Dialog mit den Angehörigen zu führen, doch sind sie in der Praxis unzureichend und wenig operativ. Es sollten Räume für den Informationsaustausch geschaffen werden, um das Nachdenken über die Zukunft des Patienten zu erleichtern. Dritte Stufe: care giving. Die Berücksichtigung von Interdependenzbeziehungen und der „Macht schwacher Verbindungen“ (A. Gefen & S. Laugier, 2020) scheint uns ein interessanter Fokuspunkt zu sein, wenn es um soziale Ungleichheiten und Solidarität geht, die durch die Entwicklung dieser Spitzentechnologien hervorgerufen werden. Vierte Stufe, care receiving. Die Bewertung der Pflege durch die Empfänger wird nur kurz erwähnt, da es uns aufgrund unserer Methodik nicht möglich war, diesen Punkt zu vertiefen. Der Erfolg der Pflege ist oftmals über kurz oder lang ungünstig und die Überlebensbedingungen können schwierig sein. Daher sollte es nicht bei einer rein technischen Bewertung bleiben.

Schließlich konnten wir feststellen, dass das Pflegepersonal einen Bedarf an rechtlichen und ethischen Erläuterungen sowie an einer Methode für gemeinsame Diskussionen hat. Außerdem sind diese Spitzentechniken der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt, und die rechtlichen und ethischen Fragen sollten der Gesellschaft eröffnet werden.


„Jenseits von Vulnerabilität – Lebensqualität als Zielperspektive in der Langzeitpflege“ (Doris Pfabigan)

Abstract folgt.


„Die Vielfalt und Potenzierung der Verletzlichkeit in der ambulanten Pflege“ (Sabine Wöhlke/Annette Riedel)

Abstract folgt.


WS: Praxisorientiert Ethik vermitteln: „One Minute Wonder“ als Impulsgeber (Anja Albers, Ute Meldau, Christa Elisa Creemers, Anja Gerlach)

Ein professioneller Umgang mit in Einzelfällen notwendigen Zwangsmaßnahmen ist in der Gesundheitsversorgung von großer Bedeutung. Insbesondere in der Intensivmedizin und -pflege ist das Thema Zwang ein ethisch schwieriges Thema. Die Regelprozesse auf Intensivstationen sind durch eine starke Asymmetrie in der Begegnung gekennzeichnet: die Patient:innen sind in besonderer Weise hilfsbedürftig und weisen vielfach Beeinträchtigungen des Bewusstseins und der Willensbildung auf. Dies kann die Anwendung von Zwang erleichtern. Um diese Zwangsmaßnahmen situationsadaptiert durchführen – oder wenn möglich vermeiden zu können, sollten Gesundheitsprofessionelle über das nötige Wissen und die entsprechenden Fertigkeiten verfügen. Dies kann beispielsweise Schulungen und Fortbildungen umfassen, um sicherzustellen, dass sie über die neusten Erkenntnisse und Praktiken verfügen. Dabei ist es wichtig, dass diese Maßnahmen immer im Einklang mit ethischen Grundsätzen und dem Wohl der Patient:innen stehen. Fortbildungen in klinischer Ethik sollten sich den individuellen Erfahrungswelten und ethischen Herausforderungen im beruflichen Kontext nähern und das spezifische Vorwissen der Adressaten aufgreifen. Die Lehr- und Lernformate an Universitätskliniken werden kontinuierlich verbessert, um den sich verändernden Anforderungen im Pflegebereich gerecht zu werden. Dabei werden auch interprofessionelle Lehr- und Lernformate genutzt, um gemeinsame Grundlagen zu vermitteln und die Zusammenarbeit im multiprofessionellen Team zu fördern.

In Zeiten der Arbeitsverdichtung nutzt, das aus England stammende Konzept One-Minute-Wonder (OMW), regelmäßig wiederkehrende Wartezeiten innerhalb der Arbeitszeit zur Wissensvermittlung. Diese entstehen auf der Intensivstation z. B. während der Blutgasanalyse. Mittels fokussierter Lerntafeln wird Wissen vermittelt, dessen Inhalte in etwa einer Minute aufgenommen werden können. Anja Albers und Ute Meldau haben im März 2023 das One Minute Wonder „Hilfe durch Zwangsmaßnahmen?“  entwickelt und auf 11 Stationen der Klinik für Intensivmedizin im Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf für einen Zeitraum von 6 Wochen veröffentlicht. Die Gestaltung des „ethischen OMW“ erfolgte nach formellen Vorgaben und beinhaltet Hinweise darüber was Zwang ist, wie und wann Zwang geschieht und was es bei der Anwendung aus ethischer, rechtlicher und sozialer Sicht zu bedenken gilt. Als Ausgangspunkt der Betrachtung wurden klinische Erfahrungen in Form von Bildern eingegliedert. Eine Evaluation in Form von interprofessionellen Fokusgruppeninterviews ist im Jahr 2024 geplant.

Der Workshop möchte einen Überblick über die Inhalte und die Konzeption des OMW zum Thema „Hilfe durch Zwangsmaßnahmen" geben. Hierbei liegt der Fokus auf der Wissensvermittlung für die Lehre in der Organisations(ethik), die ein wichtiger Teilbereich von klinischer Ethik und Advanced Nursing Practice ist. Dabei wird auf die besonderen Voraussetzungen und Spezifika von OMW eingegangen. Desweiteren wird anhand eines Fallbeispiels über Zwang als schwieriges Problemfeld der Pflegepraxis sensibilisiert und reflektiert. Diskussion und Austausch runden den Workshop ab und inspirieren zu innovativen Neuüberlegungen.

Literatur:

  • Deutscher Ethikrat (2018) Hilfe durch Zwang? Professionelle Sorgebeziehung im Spannungsfeld von Wohl und Selbstbestimmung. Stellungnahme, Berlin.
  • Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, P. u. N. (2018). S3-Leitlinie „Verhinderung von Zwang: Prävention und Therapie aggressiven Verhaltens bei Erwachsenen “, DGPPN Berlin.
  • Jöbges, S.; Biller-Andorno, N. (2021) Anwendung von Zwang in der Intensivmedizin. In: Medizinische Klinik- Intensivmedizin und Notfallmedizin 116, 205-209.
  • Jöbges, S.; Mouton-Dorey, C.; Ricou, B.; Biller-Andorno, N. (2023) Coercion in intensive care, an insufficiently explored issue- a scoping review of qualitative narratives pf patient`s experiences. Journal of Intensive Care Society Feb; 24(1): 96-103.
  • Jöbges, S., Seidlein, A.-H., Barndt, I., Burchardi, H., Duttge, G., Dutzmann, J., Grautoff, S., Gretenkort, P., Hartog, C., Kno-chel, K., Michalsen, A., Nauck, F., Neitzke, G., Salomon, F., Stopfkuchen, H., Rogge, A., Janssen, U. (2022). "Umgang mit Zwang in der Intensivmedizin." Medizinische Klinik-Intensivmedizin und Notfallmedizin: 117:255-263.
  • Krüger, L. & Mannebach, T. (2018). Wartezeiten zur Fortbildung nutzen. PflegenIntensiv,15(4), 38-40.
  • Seidlein, A.- H., Rave, F., Rogge A., Woellert, K., Hack, C. (2023) Ethikfortbildungen als Element der Klinischen Ethikarbeit: Ein Überblick- über Formate und weitere strukturierende Elemente. Ethik in der Medizin 35: 341-356
  • VPU e.V. (2023) Netzwerk Pflegewissenschaft und Praxisentwicklung des Verbandes der Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren der Universitätskliniken Deutschlands: Definition Pflegefachliches Handeln an Universitätskliniken und medizinischen Hochschulen. S. 6
  • Woellert, K. (2021) Praxisfeld Klinische Ethik. Theorie, Konzepte, Umsetzung am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin. S. 64

WS: Vulnerabilität und Pflegequalitätsprüfung (Constanze Giese/Jörg Kahl)

Im Workshop werden die pflegeethischen Herausforderungen externer Pflegequalitätsprüfungen thematisiert. Die Workshop-Leitungen stellen zum Einstieg den Beratungsprozess des Ethikbeirats, in dem beide im Vorstand aktiv sind, zu dieser Thematik exemplarisch vor: Nach einer Aussetzung der Begehungen durch den Medizinischen Dienst und die Heimaufsicht (FQA) während der größten Belastung durch die Pandemie wurden die Prüfungen mittels des neuen Prüfinstruments im Sommer 2021 wieder aufgenommen und im Ethikbeirat durch Mitarbeitende des Pflegedienstes nachdrücklich problematisiert. Offensichtlich bleiben die drängenden Anfragen gerade in professionsethischer Perspektive relevant, dies gilt hinsichtlich (unter anderem):

  • der Sinnhaftigkeit des Ressourceneinsatzes,
  • der grundsätzlichen Möglichkeit, Qualität in ein von Knappheit geprägtes System hineinzuprüfen,
  • der Eignung von Instrumenten des QMs zur Erfassung pflegequalitäts-relevanter Dimensionen (wie Beziehungsqualität, Schutz der Individualität, Autonomie und achtsamer Umgang mit der Vulnerabilität der Bewohner:innen),
  • sowie weiterer Problematiken wie dem Machtgefälle im Diskurs mit den Prüfer:innen, den unterschiedlichen Interessen von Trägern der Einrichtungen, Kostenträgern, Pflegenden und nicht zuletzt Bewohner:innen.

Die seit längerem und zunehmend angespannte Versorgungssituation in der stationären Langzeitpflege verschärft diese Problematiken. Was, wenn die Prüfung qualifiziertes Personal fern vom „Point of Care“ in Dokumentationsprozessen bindet und die Bewohner:innen damit weniger Versorgung von weniger qualifiziertem Personal erhalten? Wie vorgehen, wenn die Art und Weise der Prüfung von den verbliebenen Pflegenden als demotivierend in einem sowieso schon fordernden Alltag erlebt werden?
Trotz wiederholter Veränderungen des Prüfinstruments bleiben die externen Qualitätsprüfungen, wie sie in der stationären Langzeitpflege als üblich und notwendig angesehen werden, vielfach mit dem Vorwurf zusätzlicher Belastung und überbordendem Dokumentationsaufwand als wenig zielführend in der Kritik.
Vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Workshopteilnehmer:innen werden gemeinsam Herausforderungen, Belastungen aber auch Ansätze und Ideen zu einer sinnvollen und zielführenden, somit ethisch legitimierbaren Qualitätsprüfung erörtert.

Literatur: 


WS: Sinn- und Würdeerleben stärken durch Würdezentrierte Therapie (WzT) (Manuela Straub)

Ziele des Workshops:  

  • Kennenlernen der ‚Würdezentrierten Therapie` (WzT, n. Harvey M. Chochinov) als ressourcenorientierte Biographiearbeit für schwerstkranke Menschen am Lebensende
  • Erkennen der Bedeutsamkeit u. Möglichkeiten dieser wertschätzenden Kurzintervention, auch im Umfeld für Angehörige und Care-Teams
  • Anregen eines Transfers von Idee, Perspektive und Ansatz der WzT in die eigene Praxis

Inhalt des Workshops: Würde ist ein Schlüsselbegriff am Lebensende, in der Begleitung Sterbender. Menschen, die erleben oder nur befürchten, in ihrem persönlichen Würdegefühl verletzt zu werden, sind signifikat depressiver, ängstlicher und haben ausgeprägtere Todeswünsche. „Wenn Würde letzten Endes etwas ist, wofür es sich zu sterben lohnt, dann ist es fürwahr wert, sorgfältig erforscht zu werden“, so H. M. Chochinov. Der kanadischer Palliativmediziner und Psychiater forscht seit den 1990er Jahren zum Thema Würde und hat mit seinem Team 2002 ein empirisch gestützte Würdemodell veröffentlicht. Aus diesem Modell hat sich die Würdezentrierte Therapie entwickelt, die als spezifische Interventionsform zur Stärkung von Würde immer mehr Beachtung und Anwendung in Hospiz- und Palliativeinrichtungen findet. Ziel der Würdezentrierten Therapie ist eine psychosoziale und existenzielle Not zu lindern und das Würdeerleben des Menschen zu stärken.

Ausgehend von den Forschungsergebnissen zum Würdemodell, die kurz dargestellt werden, lenken wir im Workshop den Blick auf die Würdezentrierte Therapie als Kurzintervention, die das Würdegefühl, die Hoffnung, das spirituelle Wohlbefinden und somit die Lebensqualität bewahren oder steigern möchte. Der gesamte Prozess und das im Rahmen der WzT erstellte Generativitätsdokument erweisen sich als hochwirksam für den Patienten und sein Umfeld.

In den Workshop ist ein Schritt des auf 4 Schritten angelegten Prozesses integriert; die Arbeit mit der Würdezentrierten Therapie wird so konkret und praxisnah erlebbar.

 

Literatur:

  • M. Straub, S. Dinges: Sinn- und würdezentrierte Ansätze in der Pflege/Ethik, , in: Stefan Dinges/Ulrich H.J. Körtner/Annette Riedel (Hg.), Pflege- und Gesundheitsethik. Potentiale, Reflexionsräume und Handlungsimpulse für ein solidarisches Gesundheitswesen (Schriftenreihe Ethik und Recht in der Medizin, Bd. 15), Wien 2022, 163-194
  • H. M. Chochinov: Was bleibt – Erinnerungen am Ende des Lebens

Deutsche Gesellschaft für Patientenwürde e.V. www.patientenwuerde.de

Letzte Hilfe Österreich: www.letztehilfeoesterreich.at


WS: Linked Care – Mobile Gesundheitsversorgung neu denken/aktiv mitgestalten (Elisabeth Haslinger-Baumann, Doris Zeidler)

Die mobile Gesundheitsversorgung bildet einen wesentlichen Pfeiler der österreichischen Gesundheitsversorgung, neben der stationären und teilstationären Pflege. Im Unterschied zu den stationären Settings ist es den Gesundheitsprofessionen im mobilen Bereich kaum möglich, den nötigen gemeinsamen Informationsaustausch zu gewährleisten. Im Projekt Linked Care wird durch die Etablierung einer digitalen Plattform erstmals eine Basis geschaffen, relevante Informationen aus unterschiedlichen digitalen Dokumentationssystemen auszutauschen. Wichtige Informationen aus der Pflegedokumentation, Medizin- und Apothekensoftware werden miteinander vernetzt, in einer Weise, wie sie von den jeweiligen Berufsgruppen auch benötigt werden. Dies soll die Versorgung der Klient*innen zu Hause effizienter, effektiver machen und zur Qualitätssicherung beitragen. Die Etablierung komplexer digitaler Systeme im Gesundheitsversorgungsbereich muss unbedingt unter Einbeziehung der relevanten Gesundheitsprofessionist*innen und ihrer wissenschaftlichen Disziplinen und der Klient*innen erfolgen. Der Datenaustausch selbst, beinhaltet neben technischen und rechtlichen auch viele ethische Herausforderungen. Themen wie Datenhoheit, bzw. selektiver Zugriff auf Daten, Verwertung von personenbezogenen Informationen bedürfen einer besonderen ethischen Sensibilität. Im Workshop wird die partizipative Gestaltung und interdisziplinäre Herangehensweise dieses spezifischen Projekt-Setups diskutiert. In einem zweiten Schritt werden die ethischen Themenstellungen entlang des Datenmanagements und der Datennutzungsströme reflektiert. 

Ziel des Workshops: Analyse und Darstellung der hauptsächlichen diskursethischen Themenfelder. Entwickeln einer Matrix der partizipativen Beteiligung und ethischen Relevanz in einem komplexen Digitalisierungsprojekt. 

Methode: Anlehnung an Planspiel mit unterschiedlichen Rollen zur Entwicklung der Matrix


WS: Zukunftsperspektive: Pflegekammern als Unterstützungsinstrument. Ethisches Mandat - gesundheitsförderliche Interventionen. (Andrea Kuhn)

Seit mehreren Jahren haben einige Bundesländer in Deutschland Pflegekammern als Selbstverwal-tungsorgane des Heilberufs Pflege errichtet. Ihr gesetzlicher Auftrag ist die Verbesserung und Siche-rung der pflegerischen Versorgung der Bevölkerung. Andere Bundesländer sind auf dem auf dem Weg dorthin, einige haben dieses Unterstützungsinstrument für das Gesundheitssystem noch nicht erkannt, wenige haben es ungeduldig wieder aufgegeben. 

Das Themenfeld Ethik ist normativer Bestandteil von Pflegekammern. Allerdings ist unklar, welche Wir-kung Ethik haben soll und welches ethische Mandat Pflegekammern innehaben. Zwar wurden in den deutschen Pflegekammern einzelne Anstrengungen unternommen, eine systematischen Analyse des Feldes zur Ableitung passgenauer Unterstützung steht jedoch aus. 

Helfen kann die Entwicklung einer Programmtheorie. Sie ermöglicht die Identifizierung wirksamer In-terventionen zur Ausgestaltung des ethischen Mandats. Eine theoriegenerierende Situationsanalyse durchdringt die neuen Wissensfelder systematisch, erklärt Zusammenhänge, relevante Literaturquel-len werden zusammengeführt und in Logic Models synthetisiert. Daraus ergibt sich ein Interventions-programm, dass über eine strategische Theory of Change und eine operative Theory of Action die kom-plexen Anforderungen aufnimmt und Unterstützung in der Praxis bieten kann. 

Die vorgefundene Situation ist hochkomplex: Pflegekammern tragen die gesetzlich delegierte Verant-wortung für gute Pflege und pflegerische Versorgungssicherheit der Bevölkerung. Das deutsche Ge-sundheitssystem zeigt jedoch nur ein begrenztes Verständnis für die Desiderate, die sich aus pflege-ethischen Ansprüchen ergeben. Zudem gefährden hohe Belastungen und fehlende Partizipation die Gesundheit der Pflegefachpersonen und erhöhen die Vulnerabilität der Menschen mit Pflegebedarf. 

Das ethische Mandat der Pflegekammern umfasst nicht nur die Verantwortung für die Sicherstellung ethischer Praktiken in der Pflegebeziehung, sondern auch die politische Dimension der Sicherstellung aller notwendigen Maßnahmen zur Förderung der Gesundheit. Die entwickelte Programmtheorie stellt sich dieser doppelten Herausforderung: Die Klagenfurter Interventionsforschung stellt als Theory of Change die Partizipation der Kammermitglieder in den Mittelpunkt. Als Theory of Action wirkt das Pro-zessmodell der Ten Essential Public Health Services mit dem ethischen Kern der Chancengerechtigkeit, gestärkt durch Trontos Care-Theorie. 

Die Fusion ergibt ein Interventionsprogramm, das gelingende, gesundheitsförderliche Sorgearbeit in der direkten Pflegebeziehung und im politischen Raum ermöglicht. Sie zeigt Ansatzpunkte zur Stärkung des Gesundheitssystems, macht das Potenzial des Heilberufs Pflege sichtbar und dient zur Unterstüt-zung für Menschen mit Pflegebedarf und Pflegefachpersonen gleichermaßen. 

Literaturverzeichnis 

  • Funnell, Sue C.; Rogers, Patricia J. (2011): Purposeful program theory. Effective use of theories of change and logic models. San Francisco, CA: Jossey-Bass (Research Methods for the Social Sciences, v.31).
  • Krainer, Larissa; Lerchster, Ruth (2012): Interventionsforschung: Paradigmen, Methoden, Reflexionen. In: Lari-ssa Krainer und Ruth E. Lerchster (Hg.): Interventionsforschung. Band 1: Paradigmen, Methoden, Reflexionen. Wiesbaden: Springer VS, S. 9–19, zuletzt geprüft am 10.05.2015.
  • Kuhn, Andrea (2016): Die Errichtung einer Pflegekammer in Rheinland-Pfalz. Der fehlende Baustein zur Profes-sionalisierung? Wiesbaden: Springer; Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (Best of Pflege).
  • Kuhn, Andrea (2022): Das ethische Mandat von Pflegekammern. Entwicklung einer Programmtheorie aus Per-spektive der Gesundheitsförderung. Dissertation. Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar, Vallendar. Fakultät Pflegewissenschaft.
  • Monteverde, Settimio (Hg.) (2020): Handbuch Pflegeethik. Ethisch denken und handeln in den Praxisfeldern der Pflege. 2., erweiterte und überarbeitete Auflage. Stuttgart: Kohlhammer.
  • Public Health National Center for Innovations (PHNCI) (Hg.) (2020a): THE 10 ESSENTIAL PUBLIC HEALTH SER-VICES. Alexandria/USA. Online verfügbar unter phnci.org/uploads/resource-files/EPHS-Graphic-Eng-lish.pdf, zuletzt geprüft am 16.02.2022.
  • Tronto, Joan C. (2013): Caring democracy. Markets, equality, and justice. New York: New York University Press.

WS: ‚Ethische Dimensionen interaktionsbasierter Bewertungskriterien‘ (EDIB) (Julia Scholz)

Gesellschaftliche Teilhabe verschiebt sich zunehmend in den digitalen Raum, weshalb Tablets oder Smartphones insbesondere seit der Corona-Pandemie ihren Weg auch in Pflege-einrichtungen gefunden haben. Während dieser Zeit wurde der Einsatz technischer Geräte für die dort lebenden älteren Menschen als Lösung für mehr Teilhabe und Selbstverwirklichung gefordert und benannt, obwohl damit offenkundig auch immer die Gefahr einer möglicherweise empfundenen Vernachlässigung, Ausgrenzung oder Überforderung verbunden ist.

An dieser Stelle setzt das Vorhaben ‚EDIB‘ an, welches interaktionsbasiert die ethischen Rahmenbedingungen des Anwendungs- und Technikeinsatzes in stationären Pflege-einrichtungen in den Blick nimmt. Hierzu wurde ein Kurzfragebogen entwickelt, der eine begründete Einschätzung im Kontinuum zwischen Ablehnung und bedingungsloser Zustimmung ermöglicht und somit auch und gerade in den „Zwischenstufen“ eine von der Praxis benötigte Hilfestellung anbietet. Ziel ist es herauszufinden, für wen, wie und unter welchen Umständen und Rahmenbedingungen der Einsatz von digitalen Geräten geeignet, angemessen und dem älteren Menschen dienend sein kann. Der Fragebogen, der in einem komplexen Verfahren in verschiedenen Runden mit Praxisakteur*innen überarbeitet und konsentiert wurde, stellt damit einen Baustein für den menschenzentrierten Umgang in einer digitalen und alternden Gesellschaft dar. Das Instrument zielt darauf ab, pflegende und betreuende Personen dabei zu unterstützen, eine ethisch fundierte Einschätzung über die Eignung und Nutzung eines digitalen Gerätes bei einer älteren und ggf. vulnerablen Person vorzunehmen. Mit seiner Berücksichtigung aktueller ethischer Forschungsdebatten, rechtlicher Rahmenbedingungen sowie Methoden der Sozialforschung vereint das Projekt damit einen breiten Zugang angewandter, innovativer Forschung und ermöglicht interdisziplinär verortet neue Herangehensweisen. Auf Wunsch der Praxis und um eine breite Verfügbarkeit zu ermöglichen, steht der Fragebogen kostenlos unter www.edib-tool.de zur Verfügung.

Literatur:


WS: Vulnerabilität und Integrität von Pflegefachpersonen: Eine komplexe Beziehung und ihre moralische Relevanz (Anna-Henrikje Seidlein und Eva Kuhn)

Der Workshop folgt dem Dreischritt Sehen – Urteilen – Handeln.

Sehen – Impuls-Referat zum theoretischen Rahmen der Vulnerabilität und Integrität

Sowohl Vulnerabilität als auch Integrität sind für die professionelle Pflege grundlegende, handlungsleitende Konzepte. Während Vulnerabilität im Kontext von Pflegepraxis und -forschung jedoch vorrangig mit Fokus auf Patient*innen diskutiert wird, steht bei Integrität dagegen vor allem die Pflegeprofession im Mittelpunkt. Vulnerabilität und Integrität werden im (pflege-)ethischen Diskurs zudem bislang vor allem unabhängig voneinander untersucht. Daraus resultiert die Gefahr einer einseitigen und damit unvollständigen Sichtweise, die Aspekte unberücksichtigt lässt und/oder relevante Zusammenhänge übersieht. Den theoretischen Rahmen für den Workshop bildet das von Mackenzie et al. (2014) entwickelte Konzept der Vulnerabilität. Dieses wird auf die Situation von Pflegefachpersonen angewendet und dabei um das Konzept der moralischen Integrität nach Hardingham (2004) erweitert. Dadurch kann praxisnah und fallspezifisch aufgezeigt werden, wie Vulnerabilität und Integrität in der pflegerischen Praxis zusammenhängen und worin ihr moralischer Gehalt besteht.

Urteilen – Theoriegeleitete Fallanalyse und normativ zurückgebundener Erfahrungsaustausch

Ziel des Workshops ist es, die moralische Dimension des Verhältnisses von Vulnerabilität und Integrität von Pflegefachpersonen mit Hilfe von Fällen aus der eigenen Praxis und den Erfahrungen der Teilnehmenden zu spezifizieren, dadurch ein umfassenderes und zugleich differenzierteres Verständnis und Wege zu ermöglichen, das eigene Erleben besser in Worte fassen zu können. Dabei werden auch gängige Vorbehalte gegenüber Vulnerabilität und Integrität aufgenommen und in die Analyse einbezogen. Anhand der Beiträge der Teilnehmer*innen wird herausgearbeitet, in welchem Zusammenspiel von Form und Ausprägung Vulnerabilität tatsächlich die moralische Integrität bedrohen und/oder verletzen können.

Handeln – Lösungs- und ressourcenorientierte Reflexion der eigenen Handlungspraxis und - spielräume

Abschließend werden gemeinsam die Implikationen für die Pflegeprofession und die Versorgungspraxis herausgearbeitet, die den Workshopteilnehmenden als Ausgangspunkt zur Reflektion der eigenen Handlungspraxis unter den jeweils spezifischen Bedingungen vor Ort dienen soll.

Aktuelle Literatur:

  • Seidlein, A.-H., & Kuhn, E. (2023). When nurses’ vulnerability challenges their moral integrity: A discursive paper. Journal of Advanced Nursing, 79(10), 3727–3736. doi.org/10.1111/jan.15717

Ethik in der Medizin 33

  • Kuhn, E., Seidlein, A.-H. (2021) Intensivpflege in Zeiten der COVID-19 Pandemie: Zur Frage des Verhältnisses von Fürsorge und Selbstsorge., 51–70. doi.org/10.1007/s00481-021-00606-5

Rationierung von Pflegeleistungen: Verletzbarkeit und Verantwortung unter Bedingungen der Ressourcenknappheit. (Constanze Giese)


Vulnerabilität in der pflegeberuflichen Qualifizierung (Annette Riedel/Sonja Lehmeyer)

Der Vortrag "Vulnerabilität in der pflegeberuflichen Qualifizierung" legt das Augenmerk auf die Facetten der Verletzlichkeit der Lernenden in der grundständigen Pflegeausbildung. Die Potenziale der Verletzlichkeit - so wird herausgearbeitet - ergeben sich aus der Besonderheit in der Rolle als Lernende und Auszubildende aber auch aus den Besonderheiten pflegeberuflicher Bildung.


Partizipation als Chance und Herausforderung für vulnerable Zielgruppen am Beispiel vom Menschen mit einer sog. geistigen Be_hinderung (Stefanie Schniering (et al.))


Schutz und Schutzräume in der Pflege (Ulrich H.J. Körtner)

Pflegebedürftige Menschen bedürfen in besonderer Weise des Schutzes. Sie sind körperlich, seelisch und möglicherweise auch kognitiv vulnerabel. Sie brauchen nicht nur physische, sondern auch psychischen Schutz, unter Umständen auch gegenüber Mitpatientinnen oder Mitbewohnern. Gewalt in subtilen und offenen Formen ist in der Pflege ein wichtiges Thema. Schutzbedarf für zu Pflegende besteht auch hinsichtlich ihres Selbstbestimmungsrechts. Das Anliegen der Pflege, Schutz zu bieten, kann im Ergebnis zu unzulässigen Einschränkungen der Autonomie und zu Bevormundung führen. Eine einseitige Betonung des Autonomieprinzips kann wiederum zur Vernachlässigung der Schutzpflicht führen. Schutzbedürftig sind auch die Pflegepersonen, sei es gegenüber Patienten, Patienten oder Bewohnern, sei es gegenüber deren Angehörigen oder sei es gegenüber Kolleginnen, Kollegen und Vorgesetzten. Es braucht daher in Einrichtungen der Pflege umfassende, prozedurale Schutzkonzepte. Das lässt sich am Beispiel des assistierten Suizids veranschaulichen. Ein auf diese Problematik zugeschnittenes Schutzkonzept muss einerseits dem Recht des Einzelnen gerecht werden, aufgrund freier Entscheidung mit Unterstützung Dritter aus dem Leben zu scheiden. Es muss aber auch den Schutz von Personen sicherstellen, deren Sterbewünsche nicht freiwillentlich, sondern unter dem Druck Dritter, in Verkennung von Handlungsalternativen oder übereilt gefasst werden. Der Vortrag diskutiert die ethischen Voraussetzungen und Konsequenzen eines differenzierten Konzeptes von Pflege als Schutzraum.


Autonomie und Leiblichkeit, Verleiblichung von Willensäußerungen im Kontext von Forschung (Fred Salomon, Irmgard Hofmann, Friedrich Heubel)

Im deutschen Arzneimittelgesetz (AMG) wird auch die gruppennützige Forschung an nichteinwilligungsfähigen Personen geregelt. Gruppennützig meint, dass an einer Person – mit ihrer Einwilligung - eine medizinische Behandlung durchgeführt werden darf, die ihr zwar selbst keinen Nutzen bringt, dafür aber möglicherweise anderen Personen mit demselben Krankheitsbild. Das kann dann problematisch werden, wenn jemand im einwilligungsfähigen Zustand in eine mögliche spätere Studie einwilligt, zum Zeitpunkt einer solchen Studie die Einwilligungsfähigkeit aber z.B. durch eine dementielle Erkrankung eingeschränkt oder nicht mehr gegeben ist und die aktuelle Willensäußerung eine Ablehnung ausdrückt.

Für das pflegerische und ärztliche Fachpersonal stellt sich dann die Frage: Welche Äußerungsformen sind als Ausdruck einer zu respektierenden Willensäußerung im Sinne der Selbstbestimmung des nicht-einwilligungsfähigen Menschen zu verstehen und damit im Sinne des Gesetzes als Willensänderung anzuerkennen?

Anhand eines Fallbeispiels wird ein dreidimensionales Modell zur Differenzierung von Ausdrucksformen der Selbstbestimmung vorgestellt. Damit soll die Aufmerksamkeit von behandelnden und betreuenden Teams auf Äußerungsformen von Selbstbestimmung gelenkt werden, die oft nicht oder nicht hinreichend wahrgenommen werden.

Verbal klar ausgedrückte, intellektuell begründete Zustimmungen zu oder auch Ablehnungen von diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen werden in der Regel als selbstbestimmt betrachtet und meist auch berücksichtigt. Selbstbestimmung wird dabei al Kompetenz verstanden und an kognitive Fähigkeiten geknüpft. Die sind aber nicht vom Beginn des Lebens an gegeben und enden oft auch sehr viel früher als das Leben.

Doch kann auch an emotionalen Ausdrucksformen Ablehnung oder Zustimmung zu einer therapeutischen oder pflegerischen Maßnahme erkannt werden. Emotionale Ausdrucksformen sind schon früher im Leben vorhanden und können auch erhalten bleiben, wenn kognitive Fähigkeiten kaum oder nicht mehr vorhanden sind.

Wenn emotionale Reaktionen und Ausdrucksformen am Lebensbeginn noch nicht vorhanden oder am Ende verloren gegangen sind, ist und bleibt die Leiblichkeit des Menschen als Basis des Lebens vorhanden. Sie führt auch zu Reaktionen und Ausdrucksformen. Emotionale und leibliche Äußerungen bedürfen einer aufmerksamen Beobachtung und Interpretation. Sie auch als Ausdruck von Selbstbestimmung zu beachten, bedeutet die Würde des Menschen unabhängig von seiner kognitiven Leistungsfähigkeit zu achten.

Literatur

  • Fuchs, T. (2018). Leiblichkeit und personale Identität in der Demenz. Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 66(1), 48–61 doi.org/10.1515/dzph-2018-0005
  • Goleman, D. (1996). EQ - Emotionale Intelligenz. Carl Hauser Verlag, Wien
  • Kruse, A. (2020). Menschenbild und Menschenwürde als grundlegende Kategorien der Lebensqualität demenzkranker Menschen. In Rentsch, T., Vollmann, M. (Hrsg.). Gutes Leben im Alter – Die philosophischen Grundlagen. Reclam-Taschenbuch, Stuttgart, 233-251

Forschung mit vulnerablen Gruppen: Wenn verletzliche Menschen einander begegnen (Katharina Heimerl und Elisabeth Reitinger)

Als Forscherinnen sind wir – wie alle Menschen – verletzlich. Wenn wir mit vulnerablen Gruppen von Menschen forschen, so stellt sich regelmäßig die Frage: Worin besteht die „besondere Verletzlichkeit“ unserer Forschungsteilnehmer:innen wie Menschen am Lebensende oder Menschen mit Demenz? Damit verbunden sind vor allem auch ethische Überlegungen, wie, in welcher Form, in welchem Kontext eine Beteiligung gut und sinnvoll ist.
Anhand von Projektbeispielen aus der Forschung diskutieren wir, wie respektvolle Begegnung und neugierige Kommunikation gestaltet werden kann. Ein partizipativer Zugang sowie der Einsatz qualitativer Forschungsmethoden können einen guten Rahmen bieten. Die Kontaktaufnahme sowie eine freiwillige und informierte Teilnahme erfolgt oft in hierarchischen Organisationen und asymmetrischen Beziehungen, weshalb die Reflexion von Machtbeziehungen in Forschungsprozessen besondere Bedeutung zukommt. Gefühle spielen oft eine wichtige Rolle: sowohl inhaltlich im Zusammenhang mit der Forschungsfrage als auch in den Forschungsbeziehungen. Mit guten Wegen, sich auch wieder „aus dem Feld“ zu verabschieden möchten wir unseren Beitrag daher abrunden.


Pflegeforschung: Notwendigkeit und Grenzen organisierter Forschungsethik (Sabine Bartholomeyczik)

Pflegeforschung beschäftigt sich sehr häufig mit besonders vulnerablen Menschen, weil Pflege sich viel mit vulnerablen Menschen beschäftigt. Oftmals ist übliche Kommunikation schwer möglich wie bei kognitiven Einschränkungen, schwerer Krankheit und manchen Menschen mit Behinderungen. 

Ethikkommissionen haben die Aufgabe, in Forschungsanträgen die Gewährleistung der Menschenwürde und Autonomie der potentiell Teilnehmenden an einer Studie zu überprüfen. Zentral ist dabei die umfassende und verständliche Information über das Projekt als Grundlage für die freiwillige Entscheidung (informed consent). Das ist alles nicht besonders kompliziert bei Personen, die gewohnt sind, ihre Wünsche autonom zu formulieren. Schwierig zu lösen ist die Frage ist, wie selbstbestimmte Freiwilligkeit bei den vulnerablen Gruppen in der Pflegeforschung verwirklicht werden kann. Hier sind oft individuelle Lösungen erforderlich. 

In einer Ethikkommission, die pflegewissenschaftliche Forschungspläne beurteilen soll, sind Expertisen verschiedener Art erforderlich: 

  • Forschungserfahrung in der Pflegewissenschaft und Erfahrungen mit Pflegepraxis,
  • vertiefte Kenntnisse der (Forschungs-)Ethik,
  • juristische Expertise (Datenschutz).
    Standards für forschungsethische Begutachtungen, denen sich Ethikkommissionen verpflichtet fühlen, sind als Leitfaden zu verstehen, der auch der Antragstellung dienen soll. Letztlich muss jeder Antrag individuell begutachtet werden. 

Eine Ethikkommission kann nicht: 

  • einen Freibrief für eine ethisch einwandfrei durchgeführte Studie geben. Sie kann immer nur einen Plan beurteilen. Hinweise auf ethische Voten bei Veröffentlichungen können nicht als Garantie für die Durchführung der Studie dienen.
  • Studien begleiten, bei denen schwierige Situationen zu erwarten sind, z.B. bei Menschen mit Demenz, die Aufklärungsmaterial (das beurteilt werden kann) vielleicht nicht ausreichend verstehen können. Hier muss in einer Forschungssituation (z.B. teilnehmende Beobachtung) evtl. eine Ablehnung zur Teilnahme in der Situation selbst beurteilt werden (ongoing consent). Das Gleiche gilt auch für Kinder, wenn Erziehungsberechtigte zugestimmt haben. 

Literatur

  • Bartholomeyczik S. (2020) Empirisches Handeln in der Pflege- und Versorgungsforschung ethisch reflektiert und verantwortlich gestalten. In: Riedel A., Lehmeyer S. (eds) Ethik im Gesundheitswesen. Springer Reference Pflege – Therapie – Gesundheit. Springer, Berlin, Heidelberg. doi.org/10.1007/978-3-662-58685-3_9-2
  • Bartholomeyczik S, Schrems B (2018) Pflegeforschungsethik. In: Brandenburg H, Panfil EM, Mayer H, Schrems B (Hrsg.) Pflegewissenschaft 2. Lehr- und Arbeitsbruch zur Einführung in die Methoden der Pflegeforschung. 3. vollst. überarb. Aufl. Hogrefe, Bern, S. 235-258
  • Bartholomeyczik S, Dunger C (2017) Aus der Ethikkommission der DGP: Trotz eines allgemeinen Kodex bedarf es individueller Entscheidungen. Pflege & Gesellschaft 22 (4): 367-371
  • dg-pflegewissenschaft.de/ethikkommission/downloads-2/
    Schnell, M.W. & Dunger, C. (2018). Forschungsethik. Informieren - reflektieren - anwenden. (2. vollst. überarb. und ergänzte Aufl.). Bern: Hogrefe.

Vulnerabilität, Vulnerabilisierung und Macht: Anfragen an eine kritische Pflegeethik (Settimio Monteverde)

Pandemie als Syndemie

Die Aufarbeitung der Corona-Pandemie ist in vielen Ländern noch voll im Gange. Sie hat zum einen die hohe sozioökonomische Belastung für die jeweiligen Gesellschaften und Gesundheitssysteme aufgezeigt, welche – wie für Pandemien charakteristisch – Länder mit niedrigem, mittlerem und hohem Einkommen gleichermassen getroffen hat, selbstredend mit grossen Unterschieden in den Ressourcen sozialstaatlicher Abfederung. Sie hat aber auch die besondere Verletzlichkeit gewisser Individuen und Populationen im Kontext dieser Public Health Krise aufgedeckt, welche vorbestehende sozioökonomische, politische und technologische Gradienten verschärft hat, was die ethische Debatte in der aktuellen Phase der Auseinandersetzung prägt und mit dem Konzept der «Syndemie» treffend zum Ausdruck gebracht wurde. Debatten im Rahmen der Aufarbeitung der Krise umfassen auch das Erleben und die Rolle von Pflegenden, speziell auch die Belastungen Pflegender durch Rahmenbedingungen ihrer Arbeit unter «crisis standards of care», aber auch durch die Bezeugung des Impacts der Pandemie auf Individuen, welche ihren Auswirkungen überdurchschnittlich stark ausgesetzt waren.

Krise der Pflege als Krise der Pflegeethik

Ausgehend von der Aufarbeitung der Corona-Pandemie, wie sie in der Schweiz, aber auch in anderen Ländern mit hohen Einkommen dokumentiert ist, nimmt der Vortrag spezifische ethische Herausforderungen in der Bewältigung der Pandemie auf und diskutiert diese in ihrer Bedeutung für die Artikulierung einer Pflegeethik «nach Corona». Diese hat zur Aufgabe, die Erfahrungen der Pandemie konstruktiv aufzuarbeiten und zentrale ethische Anliegen der Pflege als Profession im Rahmen von Public Health Krisen zu systematisieren und zu reflektieren. Dabei wird die Grundannahme vertreten, dass die Corona-Krise nicht nur eine Krise der Pflege barg, wie sie sich in den zahlreichen Narrativen der Systemrelevanz, Ohnmacht und Erschöpfung der Pflegenden zeigte, sondern auch eine Krise der Pflegeethik. Diese zeigte sich in der Herausforderung, wirksame Antworten auf die strukturelle Vulnerabilität von Pflegebedürftigen und Pflegenden im Kontext der Pandemie zu geben.

Dialektik von Vulnerabilität und Vulnerabilisierung

Auf der Grundlage dieser Beobachtungen geht der Vortrag der Frage nach, inwiefern das Konzept der Vulnerabilität – verstanden nicht nur deskriptiv als (ontologische) Aussage über die Natur des Menschen – sondern normativ als Forderung, krankheitsbedingter menschlicher Bedürftigkeit durch Pflege zu begegnen – geeignet ist, eine Antwort auf die enannte Krise der Pflegeethik zu geben. Die Bejahung dieser Frage stellt im pflegewissenschaftlichen, resp. pflegeethischen Diskurs jedoch kein Novum dar, neu ist jedoch die Begründung: Vieles deutet darauf hin, dass gerade im Kontext der Covid-19 Pandemie Vulnerabilität nicht als unabhängige anthropologische Konstante erscheint, sondern institutionell und strukturell erst generiert, resp. verstärkt wird, was mit dem Begriff der Vulnerabilisierung zum Ausdruck gebracht wird. Vulnerabilisierung kann als Zuschreibung von Vulnerabilität verstanden werden, die nicht auf intersubjektiven Wertekonsensen beruht, sondern auf epistemischer Macht. Sie dient dazu, Bereiche, die als besonders gefährdet erscheinen, zu «umfrieden». Die Dialektik von Vulnerabilität und Vulnerabilisierung lässt sich als wichtiger Auslöser der Krise der Pflegeethik beschreiben: Gerade im Kontext von Heimbewohner:innen, aber auch Spitalpatient:innen zeigte sich Vulnerabilisierung darin, dass der Imperativ des Lebensschutzes weitgehend dem Imperativ der Lebensqualität übergeordnet wurde und mit der Schutzbedürftigkeit von Pflegebedürftigen begründet wurde – und zwar auch dann, als sich die epidemiologische Notlage entspannte. Doch gerade die lang (und z.T. bis heute) andauernde Marginalisierung der Kernfamilie und weiterer «essential care partners» vom Pflegegeschehen, die mit der Logik der «Versicherheitlichung» (engl. securitisation) durchgesetzt wurde, führte vielerorts zu einer Verschlechterung der Lebensqualität und konnte die sehr hohe Sterblichkeit «durch» oder «unter» Covid-19 in Einrichtungen der Langzeitpflege nicht verhindern. Auch wurde die vitale Notwendigkeit der Deckung von Grundbedürfnissen nach Bindung, Trost, Identität, Beschäftigung und Partizipation – wie durch die Arbeiten des Sozialpsychologen Tom Kitwood («Bedürfnisblume») belegt – gegenüber Sicherheits- und betrieblicher Erwägungen weitgehend vernachlässigt zugunsten von Erwägungen zur «sicheren» Abwicklung von Besuchen.

Moralischer Stress, stille und harte Triage

Gleichzeitig wurden aus menschenrechtlicher und sozialwissenschaftlicher Sicht Mahnungen unüberhörbar, dass die fortdauernde Abschottung kognitiv verletzlicher Menschen von ihrem sozialen Umfeld und die Deprivation von Kernbeziehungen faktisch den Tatbestand der «Folter oder anderer Formen von Erniedrigung» zu erfüllen drohte, was aber nur zögerlich zu Praktiken vorsichtiger und sicherer Öffnung der Heime führte. Kernelemente des pflegerischen Selbstverständnisses, welche vor allem für pflegebedürftige Menschen mit kognitiver Vulnerabilität von vitaler Bedeutung sind und gleichsam als moralische Koordinaten von Pflege gelten, blieben dadurch auf lange Zeit unsichtbar. Das damit verbundene Leiden löste auch bei vielen Pflegenden moralischen Stress aus und erwies die Begründung der Abschottungslogik von Heimbewohner:innen mit dem «Dilemma zwischen Sicherheit und Freiheit» als nicht hinreichend glaubwürdig. Zudem zeigten sich in vielen Einrichtungen Phänomene einer unkontrollierten, impliziten, «stillen» Triage, die dazu führten, dass vulnerable Populationen in der Zuteilung notwendiger Gesundheitsgüter depriorisiert oder gar posteriorisiert wurden, um eine «harte» Triage bei entsprechender epidemiologischer Notlage zu verhindern.

Vulnerabilität als «fünftes» oder «erstes» Prinzip der Pflegeethik?

Die Vulnerabilisierung als soziale Interaktion zwischen Pflegebedürftigen und Institutionen ist Ausdruck der Verteilung von Macht, letzten Endes auch epistemischer Macht, bestimmen zu können, wer für die Covid-19 Erkrankung als besonders verletzlich gelten soll und entsprechend zu schützen ist. Ein Blick in die pflegeethische Literatur zeigt nicht nur Empfänger:innen von Pflege (insbesondere Bewohner:innen von Pflegeeinrichtungen) als Opfer von Phänomenen der Vulnerabilisierung, sondern auch Pflegende und Pflegemanager:innen als Opfer sowie «Täter:innen» zugleich. Es hat bisher nicht an Versuchen gefehlt, Vulnerabilität als ethisches Konzept oder gar Prinzip in der aktuellen medizin- und pflegeethischen Diskussion auszuweisen, das sowohl ontologische als auch mit Bedürftigkeit an Pflege assoziierte Aspekte vereinigt. Die Kritiken an einer solchen «Ethisierung» sind ernst zu nehmen, gerade was Abgrenzungsprobleme zwischen «ontologischer» und «umstandsbedingter» Vulnerabilität anbelangt.

Pflegerische Resilienzförderung als Antwort auf humane und planetare Vulnerabilität Trotzdem erscheint Vulnerabilität als fundierendes Prinzip der Pflegeethik in der Lage zu sein, das Potential von Pflege für das Gedeihen menschlicher Gemeinschaften (human flourishing) zum Ausdruck zu bringen und normativ einzufordern. Gegenüber der «Rhetorik» von Dilemmas erlaubt sie eine kritischere Einschätzung der Verhältnismässigkeit von Einschränkungen von Persönlichkeitsrechten in institutionellen Settings. Als letzter und wichtiger Vorteil erweist sie sich auch für Anliegen der planetaren Gesundheit anschlussfähig, weil sie die Vulnerabilität der Natur durch den Menschen und die Vulnerabilität des Menschen als Teil der Natur anerkennt und in ethisch nachhaltige Pflegepraktiken übersetzt.

Auswahlbibliografie

  • Dillard-Wright, J., & Jenkins, D. (2024). Nursing as total institution. Nursing Philosophy, 25, e12460. doi.org/10.1111/nup.12460
  • Inthorn, J. (2022). „Vulnerable Gruppen“ und ihre Bedeutung für die ethische Begründung gesundheitsbezogener Maßnahmen. Public Health Forum, 30(1), 12-14. doi.org/10.1515/pubhef-2021-0122
  • Mergen, M., & Akpınar, A. (2021). Vulnerability: An integrative bioethics review and a proposed taxonomy. Nursing ethics, 28(5), 750–765. doi.org/10.1177/0969733020976180
  • Monteverde, S (2023). Moral failure, moral prudence, and character challenges in residential care  during the Covid-19 pandemic. Nursing Ethics, 096973302311745. http://dx.doi.org/10.1177/09697330231174532.
  • Monteverde, S; Eicher, M (2022). Fighting the virus is not enough - Pandemics, social justice, and the  role of nurses in Switzerland. Journal of Nursing Scholarship, 55(1), pp. 8-10. http://dx.doi.org/10.1111/jnu.12801.
  • Naef, R; Monteverde, S. (2021). Die Familienpräsenz sichern: Eine essentielle Pflegeintervention (nicht nur) in der Covid-19-Pandemie. Pflege, 34(3), pp. 131-132. http://dx.doi.org/10.1024/1012-5302/a000814
  • Nunes J. (2020). The COVID-19 pandemic: securitization, neoliberal crisis, and global vulnerabilization. Cadernos de Saude Publica, 36(5), e00063120. doi.org/10.1590/0102-311x00063120
  • Sellman D. (2005). Towards an understanding of nursing as a response to human vulnerability. Nursing Philosophy 6(1), 2–10. doi.org/10.1111/j.1466-769X.2004.00202.x
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